By Michael Höfling: Gold has slumped nearly 25 percent. Particularly hard hit those savers who wanted security. What next: sale at a loss or hope for a recovery?
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Von Michael Höfling: Um knapp 25 Prozent ist der Goldpreis seit Jahresbeginn eingebrochen.
Besonders hart trifft es jene Sparer, die Sicherheit wollten. Was nun:
Mit Verlust verkaufen oder auf eine Erholung hoffen?
Gold hat man – oder hätte es
gern gehabt. Eingefleischte Anhänger des Edelmetalls mögen dieses
Bonmot. Es impliziert, die schimmernden Barren und Münzen seien immer
dann, wenn Papiergeldsysteme in die Krise geraten, die bessere Wahl.
Wer Gold hat,
wähnte sich lange auf der richtigen, der sicheren Seite. Seit der
Jahrtausendwende kletterte der Preis nach oben, unterbrochen lediglich
von kurzen Korrekturen. Es kam die US-Immobilienkrise: Gold stieg. Es
kam die Bankenkrise: Gold stieg. Es kam die Staatsschuldenkrise: Gold
stieg. Gold? Hat man.
Jetzt aber
machen die Anhänger des gelben Metalls eine neue, bittere Erfahrung. Um
knapp 25 Prozent ist der Goldpreis allein seit Jahresbeginn eingebrochen
– eine kalte Dusche für Anleger, die über ein Dutzend Jahre hinweg
praktisch nur ein Muster gelernt haben: Gold steigt.
Besonders hart
trifft der Preisschock jene Sparer, die erst in den vergangenen knapp
zwei Jahren um die Höchstkurse herum eingestiegen sind. Von denen
dürften sich heute tatsächlich viele wünschen, sie hätten Gold gehabt.
Und es rechtzeitig wieder verkauft.
Doch nicht nur für
Privatanleger ist die Welt eine andere, seit der Preis für das
sprichwörtlich als sicherer Hafen bekannte Edelmetall so drastisch
eingebrochen ist. Die fallenden Notierungen bringen auch zahlreiche
Händler in die Bredouille, die ohne preisliche Absicherung arbeiten, um
im gnadenlos umkämpften Markt zu den günstigsten Anbietern zu gehören.
Solange Gold teurer wurde, machten sie gute Geschäfte.
Jetzt, bei
fallenden Preisen, können sie oft nur mit Verlust verkaufen. "Die
Marktbereinigung ist unausweichlich", heißt es beim Berufsverband der
deutschen Münzenfachhändler.
Schlechte Nachrichten verhalfen Gold zum Comeback
Dabei war das
Edelmetall praktisch bedeutungslos geworden, als es zu Beginn des
Jahrtausends zu seinem jahrelangen Siegeszug ansetzte. Die Inflation,
seit jeher ein guter Grund für Goldinvestments, galt als besiegt. Und in
Deutschland, wo sich die Menschen gerade am Neuen Markt reich
spekulieren wollten, machten die letzten Banken ihre
Edelmetallabteilungen dicht.
Doch dann kamen
der New-Economy-Crash, der 11. September, der zweite Irak-Krieg.
Schlechte Nachrichten, die dem Comeback des Goldes als Anlageklasse den
Boden bereiteten.
Ins Blickfeld
einer größeren Öffentlichkeit rückte das Edelmetall erstmals wieder mit
Beginn der Bankenkrise. Als im März 2008 die Investmentbank Bear Stearns
kollabierte, durchbrach der Preis für die Feinunze (31,1 Gramm)
erstmals die 1000-Dollar-Marke. Lange Zeit verachtet, wurde Gold
plötzlich wieder salonfähig.
Handelshäuser
machten eine Filiale nach der anderen auf, Dutzende Onlineshops
witterten das große Geschäft, und unter Vermögensverwaltern wurde es
schick, den Kunden einen Goldanteil von zehn bis 20 Prozent des liquiden
Vermögens zu empfehlen.
Das umzusetzen
war inzwischen deutlich leichter als früher. Niemand musste mehr zur
Bank fahren und die Barren mit dem gepanzerten Lieferwagen dort abholen.
Denn auch die Anlageindustrie hatte neue Wege gefunden, vom Goldboom zu
profitieren: Über börsengehandelte Fonds (ETF bzw. ETC), die zumindest
in der Theorie jederzeit physischen Zugriff auf die entsprechende Menge
des Metalls verbrieften, ließ sich der Goldanteil ganz bequem erhöhen.
Gold schien der Ausweg aus dem Dilemma zu sein
Das ging so
eine ganze Weile, denn die Rettung der maroden Banken brachte ganze
Staaten und letztlich auch den Euro ins Wanken. Gold schien der
ultimative Ausweg aus diesem Dilemma zu sein. Also kauften die Leute
weiter. Die kleinen physisch beim Händler ihres Vertrauens, die großen
bei den ETF-Riesen wie BlackRock, ZKB oder State Street.
Das Problem ist
nur: So einfach, wie Gold inzwischen investierbar ist, so einfach und
schnell lässt es sich auch wieder verkaufen.
Und die
Großinvestoren tun genau das: Seit Januar schmeißen sie ihre Gold-ETFs
auf den Markt, als gäbe es kein Morgen. 4,1 Milliarden Dollar betrugen
die Abflüsse allein im Juni, seit Jahresbeginn sind es satte 28,2
Milliarden Dollar.
Wer gehofft
hatte, mit dem Halbjahres-Ultimo würde sich das ändern, sieht sich
getäuscht: Der Trend setzt sich auch im Juli fort. "Solange die
ETF-Abflüsse in dem Ausmaß anhalten, ist eine nachhaltige Preiserholung
unwahrscheinlich", warnt Rohstoff-Analyst Eugen Weinberg von der Commerzbank. Da können die Privatanleger physisches Gold kaufen, so viel sie wollen – den Preis machen die Großen.
Zwar sprechen die fundamentalen Daten keineswegs gegen Gold. Die Euro-Krise
schwelt weiter, gerade wurde etwa Italiens Bonität auf knapp über
Ramsch-Niveau abgestuft. Fed-Chef Ben Bernanke musste am Mittwoch
eingestehen, bis auf Weiteres sei in den USA doch eine ultra-lockere
Geldpolitik notwendig, und das deflationsgeplagte Japan hat gerade erst
den Versuch gestartet, seiner Probleme mit einer beispiellosen
Gelddruck-Offensive Herr zu werden.
"Systemische Risiken sind aus dem Markt"
Geändert aber
hat sich die Stimmung, das "Sentiment". Seit EZB-Chef Mario Draghi vor
einem Jahr öffentlich versprach, alles für den Erhalt des Euro
Notwendige zu tun, haben sich die Märkte weitgehend beruhigt. "Die
extremen systemischen Risiken sind erst einmal bewältigt", glaubt etwa
Markus Zschaber, Vermögensverwalter aus Köln.
Und spricht
damit aus, was Hunderte Fondsmanager und Vermögensverwalter in ihrer
Anlagestrategie umsetzen – und sich im fallenden Goldpreis ausdrückt.
Der ist für
Privatanleger zwar nicht zwingend ein Problem. Wer das Edelmetall seit
jeher angemessen in seiner Anlagestrategie berücksichtigt und nicht erst
im jüngsten Hype auf den Zug aufgesprungen ist, kann den Preisverfall
einigermaßen verschmerzen. Käufer, die Ende 1999 zuschlugen, kommen in
Euro gerechnet ebenso auf eine jährliche Rendite von mehr als neun
Prozent wie jene, die erst nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008
einstiegen.
Sie haben
verstanden, dass ein gewisser Anteil Gold im Depot wie eine Art
Versicherung gegen die schlimmsten Folgen eines Systemcrashs helfen
kann. Bleibt der aus und fällt der Goldpreis analog zur Beruhigung der
Lage, entspricht der Wertverfall ihrer Position quasi einer
Versicherungsprämie.
Wer die
Geschichte zurückverfolgt, dem wird dagegen schnell klar, welch große
Gefahren eine Spekulation mit Gold bergen kann: Von Anfang 1980 etwa
fiel der Unzenpreis über 20 Jahre von 800 auf gut 250 Dollar.
Unerfahrene Anleger sitzen nun auf horrenden Verlusten
Doch wie jeder
Boom an den Finanzmärkten, so zog auch der massive Goldpreisanstieg zu
seinem Ende hin vor allem jene unerfahrenen Anleger an, die nun auf
horrenden Verlusten sitzen. "Zum Trost für alle, die durch den Goldpreis
leichte Verluste erlitten haben", leitet etwa ein verzweifelter User
auf dem Hardcore-Gold-Portal "hartgeld.com" seine Beichte ein: "Meine
Verluste betragen derzeit 139.000 Euro."
Sein Bekenntnis
dürfte typisch sein für jene Sparer, die den auf dem Höhepunkt der
Euro-Krise kursierenden Preiszielen von 2500, 5000 oder gar 10.000
Dollar für die Feinunze gerne Glauben schenkten – und die unter
Umständen aus Sorge um den Fortbestand der Währung gleich alles auf
"Gelb" setzten.
"Ich glaube
nicht, dass ich mit dem Gold jemals wieder eine Gewinnzone erleben
werde. Im Alter von 60 Jahren wird sich das kaum noch ausgehen", lautet
das tragische Fazit des Kommentars.
Ganz so
drastisch sind die Fälle nicht, mit denen Robert Hartmann zu tun hat.
Aber als Geschäftsführer des Handelshauses Pro Aurum hört auch er von
seinen Beratern, dass manche Kunden inzwischen arg verunsichert seien.
Ende Juni habe ein Anleger auf einen Schlag 50 Kilo Gold verkauft –
Gegenwert rund 1,5 Millionen Euro.
"Wer aber
unserem eisernen Rat zur Risikostreuung folgt und zehn, maximal 20
Prozent seines Vermögens in Edelmetalle steckt, der kann die Verluste
auch verkraften, wenn er erst spät eingestiegen ist."
Durch dick und dünn mit dem gelben Metall
Hartmann selbst
kann so schnell nichts erschüttern, was Gold angeht. Er ist mit dem
gelben Metall schon durch dick und dünn gegangen, bevor er 2003 in
München mit zwei Kollegen Pro Aurum gründete. In den Goldboom hinein
expandierte das Unternehmen, eröffnete Filialen in Berlin, Bad Homburg,
Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Wien, dazu in Zürich und
Lugano.
Pro Aurum muss
nicht zwingend Edelmetall verkaufen, das Haus verdient auch beim Ankauf,
zählt zudem Banken und Vermögensverwalter zu seinen Kunden.
Was aber, wenn
Großanleger weiter ETFs auf den Markt schmeißen und den Preis drücken?
Wenn die Spekulanten raus sind aus dem Markt, sich nur noch die
Münzfanatiker für Gold begeistern? "Klar kann es sein, dass wir uns dann
verkleinern müssen", sagt Hartmann. "Aber wir kennen den Bodensatz beim
Goldgeschäft. Das, was bleibt, wenn sich sonst niemand mehr dafür
interessiert."
So weit wird es
vermutlich nicht kommen. Doch viele Konkurrenten ächzen jetzt schon
unter der neuen Marktlage. Geschätzt 200 Unternehmen buhlen bundesweit
um die Gunst der Goldanhänger. Der Markt ist gnadenlos umkämpft, die
Preise durch das Internet transparent. Wer nicht gerade wie Pro Aurum
oder Degussa Goldhandel zu den anerkannten Topadressen zählt, kann meist
nur über den Preis punkten.
Solange der
stieg, machten die vielen kleinen Händler gute Geschäfte. Oft strichen
sie den Preisanstieg zwischen Kauf und Weiterverkauf der Ware als Gewinn
ein, zusätzlich sparten sie sich die Kosten für die Absicherung der
Bestände.
Verkauf nur noch mit Verlust
"Gerade
kleinere, unerfahrene Händler haben entweder gar nicht das Fachwissen,
oder sie können es sich nicht leisten, ihre Bestände abzusichern", sagt
Roman Schneider vom Berufsverband der deutschen Münzenfachhändler.
"Jetzt wendet sich das Blatt gegen sie", sagt er.
Denn fällt der
Preis zwischen dem Einkauf und dem Wiederverkauf, können sie nur noch
mit Verlust verkaufen – oder die Ware zurückhalten in der Hoffnung auf
wieder steigende Preise. "Viele Anbieter werden über kurz oder lang
wieder vom Markt verschwinden", so Schneider weiter.
Denn mit einem
schnellen Anstieg des Goldpreises zurück auf die Rekordstände rechnen
nicht einmal Optimisten. "Nach dem Absturz steckt Gold im
Stimmungstief", analysiert Ronald Stöferle, Edelmetallanalyst der Erste
Group, der Gold angesichts der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken
mittelfristig zumindest ein moderates Erholungspotenzial zugesteht.
Damit steht er einer Übermacht von Banken gegenüber, die das Metall im Preis noch weiter fallen sehen: Credit Suisse auf 1150, Goldman Sachs
auf 1050, die Danske Bank gar auf 1000 Dollar. Pro-Aurum-Chef Hartmann
bleibt gelassen, wenn er solche Prognosen hört. Er ahnt: "Schwarze
Schwäne gibt es da draußen genug."
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